Im Zuge der Bewältigung der Corona-Krise wurden vom Gesetzgeber auch hinsichtlich Wohnungs- und Geschäftsraummiete zahlreiche gesetzliche Änderungen vorgenommen. In unserer Kanzlei häufen sich die Anfragen zu diesem Thema, weshalb wir beschlossen haben, einen separaten Artikel dazu zu verfassen.
1.) Mit dem 4. COVID-19-Maßnahmengesetzes wurden Mietern erhebliche Erleichterungen zugestanden. Vorauszuschicken ist, dass die Erleichterungen alle im Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder sozialen Folgen der zur Bewältigung der Corona-Krise erlassenen Maßnahmen stehen.
Nach diesem Zeitraum hat der Vermieter das Recht, eine Kündigung des Mietvertrags oder eine Klage auf Vertragsaufhebung auf diesen Rückstand zu stützen. Das Recht des Vermieters, eine unterbliebene Mietzinszahlung zur Grundlage einer Vertragsauflösung zu machen, wird demnach nicht gänzlich beseitigt – allerdings um zwei Jahre hinausgeschoben!
2.) Weiters ist zu beachten, dass nach den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes Wohnungsmietverträge für die Laufzeit von zumindest 3 Jahren abgeschlossen werden müssen. Der Gesetzgeber reagiert auf die Maßnahmen hinsichtlich Bewegungseinschränkung, etc. dahingehend, dass ein dem MRG unterliegender befristeter Wohnungsmietvertrag, der nach dem 30.03.2020 und vor dem 01.07.2020 abläuft, bis zum Ablauf des 31.12.2020 (oder kürzer) schriftlich verlängert werden kann.
Dabei ist für den Vermieter zu beachten, dass für den Fall, dass bei einer Verlängerung des Mietvertrages dieser nicht vor Ablauf des Verlängerungszeitraums aufgelöst wird, der (verlängerte) Mietvertrag automatisch um 3 Jahre verlängert wird!
Für den Fall, dass auch in diesem Zeitraum keine Auflösung des Mietverhältnisses erfolgt, wandelt sich das Mietverhältnis in ein unbefristetes um. Der Vermieter ist dabei auf die Kündigungsgründe des § 30 MRG beschränkt.
3.) Für Vermieter, die bereits einen Räumungsexekutionstitel in Händen halten oder diesen bis zum 30.06.2020 erlangen, ist wesentlich sein, dass der Mieter einer allfälligen Räumungsexekution entgegenhalten kann, dass er die Wohnung dringend benötigt und einer Aufschiebung auch nicht schwere persönliche oder wirtschaftliche Nachteile des betreibenden Vermieters entgegenstehen. Die Aufschiebung der Räumungsexekution ist nur solange zu gewähren, bis die COVID-19-Maßnahmen aufgehoben werden. Auf Antrag des Vermieters ist in diesem Fall die Räumungsexekution fortzusetzen.
Geschäftsraummiete:
Gemäß § 1104 ABGB entfällt die Verpflichtung zur Bezahlung des Mietzinses, wenn das Bestandobjekt wegen „außerordentlicher Zufälle“ (beispielsweise genannt sind Feuer, Krieg, Seuche, große Überschwemmung) nicht gebraucht oder benutzt werden kann. Einerseits kann der Bestandgeber nicht dazu gezwungen werden, das Bestandsobjekt allenfalls wiederherzustellen, andererseits muss der Bestandnehmer keinen Mietzins zahlen. Es wird darauf abzustellen sein, ob das Bestandsobjekt noch „brauchbar“ (auch im Sinne des Mietzwecks im Mietvertrag) ist.
Ein „außerordentlicher Zufall“ im Sinne dieser Gesetzesbestimmung sind nur solche elementare Ereignisse, die vom Menschen nicht beherrschbar sind, sodass für deren Folgen im Allgemeinen von niemandem Ersatz erwartet werden kann. Voraussetzung ist, dass sie einen „größeren Personenkreis“ auf eine Weise treffen, der durch eine gesetzliche Regelung über Ersatzansprüche nicht angemessen auszugleichen ist. Die Beantwortung der Frage, ob COVID-19 eine Seuche ist, fällt leichter (so ist z.B. das EpidemieG gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit. ausdrücklich auch auf die ansteckende Krankheit „Coronavirus“ bzw. das „neue Coronavirus“ anzuwenden – was für eine „Seuche“ spricht) als die Frage, ob durch COVID-19 das Bestandsobjekt an sich unbrauchbar wird.
Umsatzeinbußen, Geschäftsrückgang, das Fernbleiben von Kunden, etc. berechtigt ganz grundsätzlich nicht dazu, eine Reduzierung des Mietzinses vorzunehmen. Am ehesten erscheint eine Mietzinsminderung im B2B-Bereich dann denkbar, wenn im Mietvertrag als Zweck der Miete die genaue Geschäftstätigkeit angeführt ist (z.B.: Betrieb einer Bar oder Kneipe) und diese aufgrund der im Zusammenhang mit der Coronakrise erlassenen Maßnahmen nicht mehr möglich ist. In diesem Fall könnte man sich – neben §§ 1104, 1105 ABGB – auf den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“ beziehen, und den Entfall bzw. eine Minderung der Mietzinszahlungen fordern.
Umgekehrt kann der Vermieter argumentieren, dass sich z.B. noch Waren oder Einrichtungsgegenstände im Mietobjekt befinden, und daher dieses als „Lager“ Verwendung findet – weswegen noch ein „Restnutzen“ gegeben sei.
Schließlich ist zu bedenken, dass § 1104 ABGB vertraglich ausgeschlossen werden kann, was anhand des jeweiligen Mietvertrages – und insbesondere auch bei der Neugestaltung von Verträgen (!) – zu prüfen bzw. zu berücksichtigen ist.
Ob Sie allenfalls dazu berechtigt sind, eine Mietzinsreduktion oder Aussetzung der Mietzinszahlungen vorzunehmen, setzt sohin eine genaue rechtliche Überprüfung des Mietvertrages voraus. Wir sind Ihnen dabei gerne behilflich und stehen Ihnen mit Rat und Tat zur Seite. Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren!
Aufgrund der zahlreichen Anfragen zu unserem vorletzten Artikel (Entschädigungsansprüche als Corona-Folge) haben wir ein Beispiel für einen Antrag auf Vergütung/Entschädigung nach dem Epidemiegesetz ausgearbeitet.
Das Epidemiegesetz 1950 gewährt für derartige Eingriffe insbesondere auch Entschädigungsansprüche für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, deren Betrieb aufgrund von bestimmten Krankheiten behördlich geschlossen wurde. In diesen Fällen hat die Allgemeinheit – der Staat – den damit verbundenen Verdienstentgang zu ersetzen. Der Verdienstentgang steht nach § 32 Epidemiegesetz für jeden Tag der behördlichen Schließung zu und bemisst sich nach dem vergleichbaren fortgeschriebenen wirtschaftlichen Einkommen. Für Dienstnehmer wird auf das regelmäßige Entgelt nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz abgestellt.
Wichtig: der Anspruch auf Vergütung des Verdienstentgangs muss bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs binnen 6 Wochen vom Tag der Aufhebung der behördlichen Maßnahmen bei der Bezirkshauptmannschaft geltend gemacht werden.
Der Gesetzgeber hat jedoch über Vorschlag der Bundesregierung durch das COVID-19-Maßnahmengesetz vom 15.03.2020 alle Entschädigungsansprüche für Betriebsbeschränkungen infolge des Coronavirus ausgeschlossen und die Bestimmungen des Epidemiegesetzes über die Schließung von Betriebsstätten für unanwendbar erklärt, wenn das Verbot des Betretens von Betriebsstätten durch Verordnung des Bundesministers für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz ausgesprochen wird.
Mit anderen Worten: Erfolgt gemäß § 20 Epidemiegesetz auf Grund konkret bestimmter Krankheiten eine Betriebsschließung, steht voller Verdienstentgang zu. Von der Möglichkeit diese Maßnahmen auch auf COVID-19 auszuweiten sah der Gesetzgeber – trotz der in Abs.4 dieser Bestimmung vorhandenen Möglichkeit – bewusst ab. Im Gegenteil: Es wurde lediglich das „Betreten des Kundenbereichs von Betriebsstätten“ untersagt, sodass keine derartigen Ansprüche geltend gemacht werden können! Beide Maßnahmen führen aber im Ergebnis dazu, dass die Betriebe nicht mehr weitergeführt werden können, also aufgrund einer behördlichen Maßnahme schließen müssen.
Die offensichtlich mit dem Zweck der Unterbindung von Entschädigungsansprüchen von Betroffenen (Unternehmen und Dienstnehmern) vorgenommene, künstlich anmutende Differenzierung zwischen Betretungsverbot einerseits und Betriebsschließung andererseits beschäftigt bereits den Verfassungsgerichtshof. Ob diese Maßnahmen der Bundesregierung mit den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Grundrechten (v.a. Gleichbehandlungsgebot, Verhältnismäßigkeitsprinzip, Willkürverbot, Recht auf Erwerbsfreiheit, persönliche Freiheit, Erwerbsausübungsfreiheit etc.) in Einklang stehen, wird aber wohl erst in einigen Monaten und nach Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof feststehen.
Empfehlung:
Es ist somit jedem Gewerbetreibenden und jedem Handelsbetrieb, die von Betretungsverbot (und der damit verbundenen faktischen Betriebsschließung) betroffen sind oder waren, zu empfehlen, Ansprüche auf Verdienstentgang fristgerecht bei der Bezirksverwaltungsbehörde (BH) geltend zu machen.
Derartige Ansprüche werden von der Bezirksverwaltungsbehörde unter Verweis auf das COVID-19-Maßnahmengesetz (§ 4 Abs. 2) aller Voraussicht nach abgelehnt werden. Nur eine fristgerechte Geltendmachung verhindert aber das Erlöschen dieser Ansprüche nach dem Epidemiegesetz und führt zu deren „Absicherung“ für den Fall der Aufhebung dieser Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof.
Auch viele weitere Bestimmungen des Epidemiegesetzes 1950 gelten für das Coronavirus bzw. die Erkrankung COVID-19: So beispielsweise die Anzeigepflicht oder die Möglichkeit, Kranke oder nur krankheits- oder ansteckungsverdächtige Personen „abzusondern“, also z.B. in Hausquarantäne zu stellen. Diese massive Einschränkung der persönlichen Freiheit kann schon aufgrund eines bloßen Verdachts durch Bescheid der Bezirkshauptmannschaft erfolgen, ohne dass konkrete Hinweise einer Erkrankung oder Ansteckungsgefahr z.B. nach einer Testung vorliegen müssen. Dies mag darauf zurückzuführen sein, dass eine Rechtsgrundlage dafür – die Absonderungsverordnung – aus dem Jahr 1915 stammt und grundrechtsspezifische Begriffe wie Verhältnismäßigkeitsprinzip, Willkürverbot und dergleichen in Kriegs- und Seuchenzeiten sicherlich anders ausgelegt wurden als heute. Ungeachtet eines hier zuerkannten Anspruchs auf Verdienstentgang kann von jeder abgesonderten/angehaltenen Person beim zuständigen Bezirksgericht die Überprüfung der Zulässigkeit und die Aufhebung der Freiheitsbeschränkung (!!!) beantragt werden (§ 7 Abs 1 a EpidemieG).
Muster für derartige Anträge stellen wir Ihnen gerne zur Verfügung, bzw. finden sie solche z.B. unter https://www.land-oberoesterreich.gv.at/Mediendateien/Formulare/Dokumente_BH_LL/formular_bh_e_57.pdf
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